Selektive Entwurmung Pferd

Selektive Entwurmung – ein Fallbericht

Selektive Entwurmung – Was ist das?

Unter Selektiver Entwurmung versteht man beim Pferd einen Teil der Zeitgemäßen +Selektiven Entwurmung. Die Selektive Entwurmung ist dabei die Methode mit der die Kleinen Strongyliden bei Pferden bekämpft werden.

Zeitgemäße (+ Selektive) Entwurmung –Was ist das?

Zum besseren Verständnis hier die Definition von Zeitgemäßer + Selektiver Entwurmung:
In der Zeitgemäßen (+Selektiven) Entwurmung (ZE(+SE)) steht Diagnostik vor Therapie entsprechend den geltenden Regeln des Arzneimittelgesetztes (§12 TÄHAV).

Die ZE (+SE) ist eine Kombination aus gezielter und selektiver Behandlung von Endoparasiten mit begleitenden Quarantäne- und Hygienemaßnahmen.

Selektiv werden behandelt:

Kleine Strongyliden – Schwellenwert: 200 EpG

Gezielt werden bei positivem Nachweis behandelt:

Parascaris spp. ; Anoplocephala spp., Große Strongyliden, Oxyuris equi, Strongyloides westeri, Dictyocaulus arnfieldi, Fasciola hepatica und Magendasseln

Kurze Geschichte

Erste Erfahrungen

Das Prinzip der Selektiven Entwurmung wurde ursprünglich zur Wurmbekämpfung beim Menschen entwickelt. In der Parasitologie bei Wiederkäuern ist die Methode schon sehr gut erforscht und in der Praxis angekommen. Die ersten Forschungsarbeiten zur Bekämpfung der Kleinen Strongyliden beim Pferd stammen von Anfang der 90er Jahre. Ab 1999 stellten in Dänemark auf Grund einer Gesetzesänderung viele Tierärzte in der Pferdepraxis auf diese Methode zum Entwurmen um. In der Folge wurde die Selektive Entwurmung in  den anderen Europäischen Ländern und den USA wegen der Entwicklung von Resistenzen gegen Wurmmittel als Alternative zur strategischen Entwurmung von Experten für das Pferd empfohlen.

Forschung in Deutschland

In Deutschland liefen die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Selektive Entwurmung beim Pferd unter der Leitung von Prof. Kurt Pfister an der LMU ab dem Jahr 2005. In der Folge wurde dort am Lehrstuhl die Arbeitsgruppe Pferdeparasitosen unter meiner Leitung  gegründet. Zusammen mit unseren Doktoranden entwickelten wir die Methode weiter und veröffentlichten z.B. in der Veterinary Parasitology. Wir forschten zum optimalen Abstand zwischen den Kotproben, zur  Kombination mit Untersuchungen der Wirksamkeit der Wurmkuren, zum Vorgehen bei Jungtieren und zur Integration von anderen Wurmarten wie Bandwürmern und Spulwürmern. Lena Greite beschäftigte sich damals schon mit Diagnostik von S.vulgaris. Diese weitgefächerte Forschungsarbeit geht auch jetzt noch weiter, auch wenn Prof. Pfister mittlerweile im Ruhestand ist.

Erfahren Sie hier mehr zu Strongyliden in Deutschland.

Anwendung in der Praxis in Deutschland

Nach und nach entwickelten wir eine praxistaugliche Methode, die neben der selektiven Bekämpfung Kleiner Strongyliden auch die gezielte Diagnostik und Bekämpfung aller anderen beim Pferd relevanten Würmer umfasste. Diese wurde im Jahr 2011 im Rahmen einer Doktorarbeit von Dr. Marcus Menzel in seiner Tierarztpraxis Thurmading eingeführt und erfolgreich wissenschaftlich getestet. Damals wurde auch schon die deutschte Pferdepresse auf das Thema selektiv Entwurmen aufmerksam. Cavallo war eine der ersten Zeitschriften, die ausführlich berichteten. Inzwischen wurden einige weitere Modifikationen an der Methode vorgenommen wie z.B. die routinemässige Diagnostik von S.vulgaris. Mittlerweile trägt die Methode den Namen Zeigemäße +Selektive Entwurmung, umfasst die fürs Pferd relevanten Wurmarten und Tierärzte setzten sie tausendfach erfolgreich in ganz Deutschland ein.

Erfahren Sie hier wie eine regelmässige Kotprobe im Rahmen der Zeitgemäßen (+Selektiven) Entwurmung untersucht wird.

AG ZE (+SE) e.V.

Im Jahr 2017 wurde nun von Tierärzten und Biologen ein neuer Verein mit dem Namen AG ZE (+SE) gründet. Dieser wird die Methode auch in Zukunft an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis anpassen und für die weitere Verbreitung beim Entwurmen von Pferden sorgen.

Selektive Entwurmung – der Fallbericht

An dieser Stelle werde ich in den kommenden Monaten und Jahren einen Fall vorstellen, wie die Zeitgemäße + Selektiven Entwurmung in einem Pferdebestand eingeführt wird und wann und wie Diagnostik und Wurmkur gegen die Parasiten eingesetzt werden.

Unicorn-Ranch

Auf der Unicorn-Ranch leben fünf Quarter Horses in einem Laufstall mit täglichem Zugang zum Paddock und Sandplatz.

Information aller Beteiligenten – Januar 2017

Die Stallbetreiberin hat sich schon im Jahr 2016 über die Selektive Entwurmung informiert. Im Januar 2017 fand eine Infoveranstaltung zur Zeitgemäßen (+Selektiven) Entwurmung mit allen Pferdebesitzern statt. Die relevanten Würmer wurden vorgestellt, die Wirksamkeit der Wurmkuren besprochen und die Vor- und Nachteile des Vorgehens diskutierte. Aus meiner Sicht ist es zu diesem Zeitpunkt sehr wichtig, verlässliche Informationen – auch über die Nachteile – zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollten Bedenken von einzelnen Pferdebesitzern ernstgenommen werden.

Entscheidung der Pferdebesitzer

Auf der Unicorn – Ranch entschieden sich alle Pferdebesitzer an der Zeitgemäßen (+Selektiven ) Entwurmung teilzunehmen.

Kein Pferdebesitzer sollte gezungen werden die Methode zur Entwurmung bei seinem Pferd anzuwenden. Unsere Erfahrung zeigt immer wieder, dass nach den ersten Jahren Zeitgemäßer +Selektiver Entwurmung ein immer größerer Anteil der Besitzer mitmacht. Ein Glaubenskrieg innerhalb einer Stallgemeinschaft ist hier total kontraproduktiv. Akteptieren Sie die frei Entscheidung jedes Einzelnen. Die

Einführung des Prinzips der Selektiven Entwurmung ist eine fundamentale Änderung der Methode. Jeder Veränderungsprozess erzeugt Widerstände – das ist zutiefst menschlich.

Und so geht es weiter

Als nächstes wird der behandelnde Tierarzt einen ausführlichen Vorbericht erheben. Es wird nach anthelmintischen Behandlungen gefragt, Hygienemaßnahme, Vorerkrankungen ….

 

Erfahren Sie hier wie eine regelmässige Kotprobe im Rahmen der Zeitgemäßen (+Selektiven) Entwurmung untersucht wird.

Diskutieren Sie mit:

Haben Sie ähnliche oder andere Erfahrungen mit der Selektiven Entwurmung als Teil der ZE (+SE)? Dann schreiben Sie einen Kommentar und teilen Ihre Erfahrungen mit anderen Lesern. Ich Dr. Anne Becher beantworte Ihnen hier im Kommentarbereich auch gerne kurze Fragen zum Thema selektiv Entwurmen.

 

 

6 Comments
  • Miriam Ellerbrock
    Posted at 19:52h, 14 September Antworten

    Sehr geehrte Fr. Dr. Becher,
    kann man Jährlinge auch schon selektiv entwurmen?

    LG Miriam Ellerbrock

    • Dr Anne Becher
      Posted at 09:13h, 15 September Antworten

      Hallo Frau Ellerbrock,

      Vielen Dank für Ihre Frage, die immer wieder gestellt wird und auch für anderen Pferdebesitzer relevant ist.

      Die Kurze Antwort ist: Ja!

      Allerdings gilt des bei Jungtieren einige Besonderheiten und Einschränkungen zu beachten:

      1. Wie ist die Haltungform? Bei einzelnen Jährlingen, die zusammen mit erwachsenen Pferden gehalten werden, können die Kleinen Strongyliden sehr gut selektiv behandelt werden. Bei diesen Tieren kann man sehr einfach eine Kotprobe dem einzelnen Tier zuordnen. In Gruppenhaltung ist es sehr zeitintensiv, Kotproben einzelnen Pferden zuzuordnen. Diesen Aufwand können gerade kommerzielle Jungtierhalter oft schlecht leisten.

      2. Die Kotproben werden in kürzeren Intervallen untersucht als bei erwachsenen Pferden.

      3. Bei Jungtieren spielen Spulwürmer eine große Rolle. Diese Wurmart wird beim Nachweis gezielt behandelt – also nicht selektiv. Außerdem gibt es hier schon Resistenzen. Die Kontrolle der Wirksamkeit der Wurmkuren ist also ein zentraler Bestandteil des Parasitenmanagement bei Jungtieren. Aus diesem Grund passt der betreuende Tierarzt das genaue Vorgehen bei der Diagnositk und Behandlung von Jährlingen sehr genau an den Bestand und das Einzeltier an.

      Grundsätzlich ist das zentrale Ziel beim Parasitenmanagement von Jährlingen, dass das Pferd das eigenes Abwehrsystem gegen die Würmer entwickelt. Dazu bedarf es einen gewissen Infektionsdruck, der das Immunsystem stimuliert, aber nicht so groß ist und das Jungtier krank macht. Die Überwachung des Infektionsdrucks ist bei der Zeitgemäßen + Selektiven Entwurmung unser zentrales Ziel. Deshalb eignet sie sich auch für Jungtiere. Voraussetzung ist dafür aber ein Konzept, das den gesamten Bestand integriert und auf der Untersuchung von Kotproben von jedem einzelnem Jungtier aufbaut. Die Methode ist damit also aufwendiger als bei erwachsenen Pferden.

  • MelaniT
    Posted at 12:38h, 22 Juni Antworten

    „Als Quarantanema?nahme sehr bedeutsam ist die parasitologische Eingangskontrolle neu aufgenommener Pferde.“

    • Dr Anne Becher
      Posted at 13:44h, 24 August Antworten

      Ja, genau. Ziel ist hier die Verhinderung der Einschleppung von resistenten Wurmstämmen und neuen Wurmarten.

  • Karina
    Posted at 20:32h, 01 Mai Antworten

    Hallo,imacht es Sinn,wenn man 3 Pferde hat eine Sammelkotprobe von allen dreien abzugeben?

    • Dr Anne Becher
      Posted at 13:56h, 07 Mai Antworten

      Vielen Dank für diese Frage.

      Sie wird mir in der täglichen Arbeit oft gestellt. Früher war es durchaus üblich Sammelkotproben von mehreren Pferden zu untersuchen. Dies ist sinnvoll, wenn bisher im Bestand noch keinerlei Kotproben untersucht wurden und nur die Frage beantwortet werden soll, ob im Bestand Strongyliden oder Spulwürmer vorkommen. Dann macht es Sinn eine Sammelkotprobe (am besten von den jüngsten Pferden) mit der Kombinierten Sedimentation-Flotation zu untersuchen.

      Im Rahmen der Selektiven Entwurmung untersuchen wir dagegen keine Sammelkotproben. Jedes Pferd hat eine unterschiedlich hohe Eiausscheidung beim Befall mit Strongyliden. Genau diese Unterschiede wollen wir herausfinden und dabei helfen uns Sammelkotproben nicht. Auch bei der Überprüfung der Wirksamkeit von Wurmkuren machen Sammelkotproben keinen Sinn, da wir auch dabei die individuellen Ergebnisse des einzelnen Pferde brauchen.

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